Wochenimpuls zum Sonntag Palmarum (2. April 2023)

7 Wochen ohne Verzagtheit

6. Woche: Durch die Nacht

Von der sechsten Stunde an kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde. Und um die neunte Stunde schrie Jesus laut: Eli, Eli, lama asabtani? Das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

(Matthäus 27,45-46)

 

Manchmal erscheint die Welt wie in tiefstes Dunkel getaucht: Die eigene innere Welt oder die äußere Welt um uns herum. Dunkelheiten breiten sich in uns aus, wenn Beziehungen zerbrechen, Leben beschädigt wird oder zuende geht, Gewissheiten sich auflösen, Pläne scheitern, Hoffnungen zerplatzen.

Als Polizist:in ist man nicht nur mit persönlichen Dunkelheiten konfrontiert, sondern besonders mit denen um uns herum. Mit manchmal unvorstellbaren Dingen, die Menschen sich selbst und anderen antun. Da können Zweifel aufkommen – am Glauben an das Gute im Menschen, an der Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns, am Sinn der eigenen Existenz, am Sinn der ganzen Welt. Dann dehnen sich die Dunkelheiten der äußeren Welt in die eigene innere Welt aus. Dann erleben wir solche „Kar-Tage“, wo unsere Kraft nicht mehr für ein Ausrufezeichen, sondern nur noch für ein Fragezeichen am Ende des Satzes reicht:

Ob es weitergehen wird?
Wie es weitergehen wird?

In solchen Kar-Tagen wissen wir es nicht.

Der Dichterin Mascha Kaléko waren solche Erfahrungen vertraut. Und trotz aller Dunkelheiten auch ihres Lebens findet sie folgende Worte (1)  – für sich und ja, nicht zuletzt auch für uns:

Die Nacht,
In der
Das Fürchten
Wohnt,

Hat auch
Die Sterne
Und den
Mond.

Manchmal ist es sehr, sehr schwer nicht zu verzagen, oder?

Ihr Werner Schiewek

(Landespolizeipfarrer der EKvW)

 

(1) Zitiert nach: Mascha Kaléko: In meinen Träumen läutet es Sturm. Gedichte und Epigramme aus dem Nachlass. Hrsg. und mit einem Nachwort von Gisela Zoch-Westphal. München Sonderausgabe 2018, S. 57.