Corona: Wichtige Hinweise für Einsatzorganisationen und Vorgesetzte/Einsatzleiter

SbE-Hinweise für Einsatzorganisationenund Vorgesetzte / Einsatzleiter

Gegenwärtig (22.03.2020) sind nicht so sehr die Infektionseinsätze selbst belastend und verunsichernd. Denn auch vor Covid-19 haben Einsatzkräfte ihre Einsätze mit infektiösen Patient*innen professionell, routiniert und umsichtig abgearbeitet.Es wird von anderen Belastungen berichtet:

  • Die Einsatzkräfte in Regionen mit einem hohen Einsatzaufkommen arbeiten einfach quantitativ an der Belastungsgrenze.
  • Manche berichten davon, dass sie von Anderen, auch Bekannten, gemieden werden aus Angst, sich zu infizieren.
  • Sie haben Probleme, die eigenen Kinder angesichts von Schul-und Kindergarten-schließungen in guter Form zu betreuen oder betreuen zu lassen.
  • Sie sind konfrontiert mit Ängsten ihrer Partner*innen und Kinder, die sich Sorgen angesichts ihrer Einsatztätigkeit machen.
  • Viele haben Angst und Sorge, welche Entwicklungen eintreten könnten, wenn die Zahl von Verdachtsfällen, von Erkrankten und Sterbefällen massiv ansteigt.
  • Einsatzkräfte haben Anteil an den Sorgen und Ängsten, die allgemein an ihrem Wohnort und in der Nachbarschaft die Menschen bewegen.
  • Verpflichtungen dem Arbeitgeber bzw. dem eigenen dienstlichen Auftrag sowie den Kolleginnen und Kollegen gegenüber nachzukommen, kann in der momentanen Lage auch mit dem Bedürfnis kollidieren, für seine eigene Familie bzw. sein eigenes Umfeld da zu sein. Mitunter ergibt sich womöglich ein Loyalitäts-bzw. Gewissenskonflikt.

Was können Organisationen und Vorgesetzte (Einsatzleiter) tun?

PRIMÄRE PRÄVENTION:
Sicherheitsgefühl der Einsatzkräfte stärken!

Das Schlüsselwort ist: Sicherheit. Tun Sie alles dafür, dass Ihre Einsatzkräfte sicher arbeiten können und sich (handlungs-) sicher fühlen.Dabei geht es einmal um die äußere Sicherheit: sichere Schutzvorkehrungenund sichere Ausstattung mit Kleidung und Material, gute Einweisung

Genauso wichtig ist aber auch das eigene Gefühl der Sicherheit. Dazu kann die Organisation und können die Vorgesetzten (Einsatzleiter) entscheidend beitragen durch:

  • ausführliche und ruhige Information über die Lage
  • genaue und sorgfältige, aber nicht dramatische Information über Risiken und Schutzmaßnahmen
  • hohe Transparenz bei Entscheidungen und Anordnungen
  • Gesprächs-und Auskunftsbereitschaft bei Fragen undUnsicherheiten
  • regelmäßige Teambesprechungen
  • gute Auswertung zurückliegender Einsätze
  • Einbeziehung in mittelfristige Überlegungen
  • klare Zuständigkeitenklare Aufträge (auch Grenze des Auftrags!)
  • klare Kommunikationswege
  • Bereitstellung von Stufenplänen fürkünftig denkbare Szenarien
  • Hinweis auf seriöse Informationsquellen, Medienauswahl
  • Warnung vor Fake-News und entsprechenden unseriösen Informationskanälen
  • Vorsicht vor „Verschwörungstheorien“
Betonen Sie auch das kollegiale bzw. kameradschaftliche Miteinander: Zu wissen, in einer Dienstgruppe oder einer Wachabteilung zu arbeiten, die aufeinander achtet, auf die man sich verlassen kann und in der insgesamt ein gutes Klima herrscht, stellt gerade in hoch be-lastenden Zeiten eine besonders wichtige Ressource dar!Stellen Sie, sofern dies aus einsatztaktischen Überlegungen heraus möglich ist, bei be-stimmten, besonders risikobehafteten Einsätzen auf Freiwilligkeit ab. Nehmen Sie Rücksicht auf Einsatzkräfte, die -warum auch immer –bereits vorbelastet sind.

Achten Sie darauf, dass auch bei hohem Einsatzaufkommen Pausen und Erholungszeiten genommen werden, und wenn es sich nur um relativ kurze Phasen handelt. Vor allem soll-ten Einsatzkräfte Gelegenheit haben, regelmäßig Kontakt zu Ihren nächsten Angehörigen aufzunehmen, etwa durch Telefonanrufe oder das Schreiben einer kurzen schriftlichen Nachricht.

Legen Sie gerade in diesen Tagen und Wochen Wert auf eine offene Kommunikationskultur, in der auch persönliche Ängste und Sorgen zum Thema gemacht werden können. Nehmen Sie entsprechende Äußerungen ernst und reagieren Sie mit Verständnis und Wertschätzung darauf.

So können Sie präventiv vieles tun, um zu gewährleisten, dass Einsatzkräfte so handlungssi-cher wie möglich die Herausforderungen der gegenwärtigen Situationmeistern. Denn das Schlüsselwort ist: Sicherheit. Das eigene Sicherheitserleben wirkt präventiv auch der Gefahr einer möglichen psychischen Traumatisierung entgegen, die bei einem Erleben von Angst, Hilflosigkeit und Entsetzen entstehen kann. Was Einsatzkräfte psychisch am meisten schützt, ist dass sie ihre Arbeit gut machen können.

SEKUNDÄRE PRÄVENTION:
Durch Einsatznachsorge die psychische Leistungsfähigkeit der Einsatzkräfte bewahren!

Normalerweise können Einsatzkräfte ihre Einsätze routiniert abarbeiten und bewältigen, sowohl „normale“ als auch Covid-19-bezogene und andere Infektionseinsätze.

Es kann aber auch Einsätze geben, in denen Einsatzkräfte Angst oder Hilflosigkeit erleben. Dies kann dann zu besonderen Reaktionen wie wiederkehrenden Bildern, Schlafstörungen u.a. führen. Diese Reaktionen sind normal und lassen in der Regel nach kurzer Zeit wieder nach.

In Zukunft sind zudem Szenarien denkbar, in denen Angst und Verstörung durch die allgemeine Lage auch bei Einsatzkräften verstärkt auftretenund die Einsatzfähigkeit herabsetzen.

Unterstützungsmöglichkeiten bieten hier Einsatznachsorgeteams, Psychosoziale Fachkräfte und Seelsorger. Es ist verständlich, wenn Sie bei dem allgemeinen Infektionsrisiko zögern, EinsatznachsorgeMaßnahmen anzufordern.

Betretungsverbote auf den Wachen müssen abgewogen werden gegen die Notwendigkeit, Einsatzkräfte psychisch fit zu halten. Ob für die Unterstützung physische Kontakte (persönliche Einzel-oder Gruppengespräche) unbedingt nötig sind, muss dann ebenfalls abgewogen werden. Gut ausgebildete Einsatznachsorgeteams können beispielsweise auch telefonisch, per Videokonferenzoder per Mail psychosoziale Unterstützung bieten. Bestehende Infektionsrisiken bzw. Anweisungen zu bestimmten Schutzmaßnahmen im Einsatzwesensollten daher kein Grund sein, generell auf jedwede sekundäre Prävention zu verzichten.

Beraten Sie dies bitte mit den Einsatznachsorgeteams und Psychosozialen Fachkräften. Erreichbarkeiten in Ihrer Nähe werden Ihnen oder der Leitstelle bekannt sein. Wenn nicht, können wir Ihnen dies ohne großen Aufwand unter unserer Tel. 01805-872 862 vermitteln.

Mit guten Wünschen für Sie und IhreMitarbeiter*innen!

Für dieSbE-Bundesvereinigung:
Oliver Gengenbach
Dr. Andreas Müller-Cyran
Prof. Dr.Harald Karutz
Dr.med. Ralph Kipke

Stand: 22.03.2020